Review 42. Symposium in Graz
Das 42. SOWI-Postgraduate Symposium fand nach mehreren Jahren im Ausland nun wieder einmal an unserer verehrten Karl-Franzens-Universität in Graz statt. Wenn auch nicht in exotischem Rahmen – wie das ja schon des Öfteren der Fall war – dann mit wie immer sehr hochkarätigen Referenten, sehr viele auch von unserer Heimatuniversität.
Den Beginn machte wie immer unser Vorsitzender, Mag. Volker Pichler. Auch wenn sich das Thema wie ein roter Faden durch den gesamten Vortragstag zog, vermied er es gekonnt, unser Hauptthema, dass uns im letzten Jahr einmal mehr beschäftigte beim Namen zu nennen.
In Vertretung unseres geschätzten Dekans, Dr. Thomas Foscht eröffnete Vizedekan Dr. Markus Hadler das Symposium. Er zeigte sich sichtlich erleichtert, dass wieder Veranstaltungen wie diese in Präsenz abgehalten werden können.
Wie bei jedem Symposium startete auch diesmal DDr. Gerald Schöpfer mit einem Streifzug über das Thema Pandemien durch die Geschichte. Pandemien begleiteten die Menschheit von Anbeginn an, mit Sicherheit aber seit es Aufzeichnungen gibt. Als einschneidend ist wohl die Pest zu bezeichnen, welche ab 1346 von China kommend ganz Europa erfasste. Bereits damals wandte man ähnliche Mittel in der Bekämpfung an wie heute, etwa die Quarantäne, Schutzmasken und die Isolierung von Kranken. Neben den enormen Todesraten von damals waren auch die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen enorm. Ähnlich dramatisch wirkte sich die Spanische Grippe im 19. Jahrhundert aus. Durch die Entwicklung in Medizin und Forschung ist es uns mittlerweile gelungen, das menschliche Leid einigermaßen zu mildern, was bleibt und wohl noch längere Zeit in Gang sein wird, ist eine gravierende Umwälzung des gesellschaftlichen Gefüges. Einmal mehr wurde uns Menschen vor Augen geführt, dass wir trotz technologischer und medizinischer Fortschritte mehr als verletzlich sind!
Als nächster Referent spannte Mag. Dr. Manfred Prisching den Bogen über die aktuellen europäischen Befindlichkeiten vom US-Skeptizismus über die Pandemiefolgen bis hin zur Fernost-Bedrohung. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs begann für Europa eine Periode außerordentlichen Fortschritts. Große Schritte zu einem Vereinten Europa wurden gesetzt, die Globalisierung nahm immer stärkere Formen an. Doch die Euphorie wich im Laufe der Jahre der Ernüchterung und der Realität. Die Heterogenität der einzelnen Staaten und wieder aufflammender Nationalismus speziell in Ländern des ehemaligen Ostblocks zeigt einmal mehr auf, wie instabil das Europäische Gefüge geworden ist. Die wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Probleme der letzten Jahre haben das ihre dazu getan die Kluft zu einigen Ländern zu vergrößern. Dazu kommen die Einwirkungen von außerhalb Europas wie die bröckelnde Vormachtstellung der USA, eine immer stärkere Einflussnahme Chinas in der Welt, die Konflikte im Nahen Osten und die daraus resultierenden Migrationsströme aus dieser Region und aus Afrika. Dies ist die Kulisse, vor der sich Europa zu behaupten hat – es wird sich zeigen, wie es den aktuell auftretenden Fliehkräften standhalten kann.
Mit den soziologischen und wirtschaftlichen Folgen der gegenwärtigen Pandemie befasst sich das Referat von PhD Stefania Rossi. Die Auswirkungen sind vielschichtig und reichen von gesundheitlichen über strukturelle bis hin zu wirtschaftlichen Auswirkungen. Bisher ist es den Regierungen aller Staaten der Welt bis zu einem gewissen Grad durch Maßnahmen gegenzusteuern – einmal besser, manchmal aber leider auch schlechter. Trotzdem haben die einzelnen Volkswirtschaften Schaden genommen, den zu beheben es wohl noch einige Zeit dauern wird.
In seinem Referat brachte Dr. Vishal Kashyap einen sehr anschaulichen Vergleich über unterschiedliche Methoden und Ansätze im Umgang mit der Krise zwischen den USA und Europa. Anhand zahlreicher Fallbeispiele wird erläutert, wie unterschiedlich nicht nur die Herangehensweise bei der Bewältigung der Pandemie waren, sondern auch wie groß die Unterschiede in den Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben in beiden Regionen ausfielen. Die vom Referenten gebrachten Beispiele reichten von der Bereitschaft sich testen und in weiterer Folge impfen zu lassen bis hin zum Tragen einer Maske im öffentlichen Bereich. Der Unterschied in der Auswirkung dieser angewandten Strategien zeigt sich an der Zahl der Todesfälle im Vergleich beider Regionen, aber auch an den wirtschaftlichen Folgen für die Einzelnen. Überall wurden tiefe Gräben innerhalb der Gesellschaftsschichten aufgerissen – die Frage wird sein, ob sich diese wieder schließen lassen.
In Vertretung von Christian Jauk, MBA, MAS sprach Mag. Berthold Troiß über die wirtschaftlichen Auswirkungen und globale Trends durch COVID-19. In der globalen Wirtschaftsentwicklung steht Europa als großer Verlierer an der letzten Stelle, überholt von den USA und China, die aktuell die Träger des Wirtschaftswachstums sind. Die größten Einbrüche durch die Krise gab es in Österreich durch den Wegfall des Tourismus und durch ein Absinken der Exporte. Durch die massiven staatlichen Unterstützungen bis hin zu Stundungsmöglichkeiten von Krediten, Steuerzahlungen und Sozialversicherungszahlungen kam es zu einem drastischen Abfall in der Zahl der Insolvenzen. Die Arbeitslosenquote ließ sich durch die Kurzarbeit wieder auf Vorkrisenniveau senken, was bleibt sind nach wie vor Schwächen im Arbeitsmarkt, die sich jetzt in einer starken Personalknappheit in vielen Branchen zeigen. Einmal mehr werden strukturelle Probleme sichtbar. Durch die massiven Hilfszahlungen der Staaten in Europa steigen die Budgetdefizite in die Höhe, auch die Inflation treibt die Preise für Lebensmittel, Energie und Wohnen in die Höhe. Eine Entspannung dieser Situation ist bis dato nicht in Sicht, die Frage wird sein, wie lange dies noch fortdauern kann.
Das Referat von Mag. Dr. Roland Mestel ging in eine ganz andere Richtung, nämlich die Transformation der Kapitalmärkte. Gemeint ist damit die Entwicklung von einem indirekten zu einem direkten Finanzsystem ohne Finanzintermediäre. Diese direkte Verbindung wurde in der virtuellen Welt über Blockchains möglich. Der Bogen spannte sich von Bitcoins als dezentrales, digitales Zahlungsmittel über Kryptologie, der Wissenschaft zur Ver- und Entschlüsselung von Informationen bis hin zur Blockchain, als dezentraler Datenspeicher. Nach einer theoretischen Einführung in die Funktionsweise von Blockchains wurde demonstriert, wie Einträge in diese Blockchain erfolgen können. Zum Abschluss gab es auch noch einige Anwendungsbeispiele für diese Technologie, die bereits in der Praxis angewandt werden.
Ein Vertreter der steierischen Industrie, der Geschäftsführer der Industriellenvereinigung, Mag. Gernot Pagger gab einen Überblick über die steirischen Industriebetriebe und das aktuelle wirtschaftliche Umfeld. Die Betriebsstrukturen innerhalb der steirischen Industrie sind sehr unterschiedlich und reichen von einigen börsennotierten bis hin zu kleineren, regionalen Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen. Der gesamte Bereich trägt zu annähernd 30% zur Bruttowertschöpfung in der Steiermark bei. Der Coronabedingte Einbruch konnte bis jetzt mehr als aufgeholt werden. Natürlich wirkt sich auch das Wachstum anderer Volkswirtschaften wie der USA und China sowie der umliegenden europäischen Markte positiv auf die Exporte aus. Viele Betriebe investieren und bauen ihre Standorte aus, schaffen neue Arbeitsplätze. Die aktuellen Problemfelder liegen in der Rohstoffknappheit und dem Mangel an Arbeitskräften.
Den Abschluss des spannenden Referatsreigens machte Mag. Dr. Manfred Prisching mit einem Ausblick auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Durch die aktuelle Krise wurden die brennenden Themen, die uns beschäftigen wieder stärker ins Licht gerückt – in jeder Krisensituation werden systemische Schwächen schonungslos sichtbar gemacht. Der Bogen spannt sich von Globalisierung über Migration und Demographie bis hin zur Klimapolitik, dem Umgang mit knappen Ressourcen und der Digitalisierung. In einem Umfeld der Ungewissheit, einer zunehmend komplexeren Welt wird das Bedürfnis nach Orientierung stärker. Verstärkt wird dies durch das Zerbrechen der bisher bekannten Gesellschaftsstrukturen. Das Bedürfnis der Menschen nach Gemeinschaft, nach Anerkennung nimmt zu. Dazu kommt die Angst vor der Gefährdung des bisher gekannten Wohlstandes durch Krisen wie Umweltprobleme und Migration. Daneben wächst auch die Angst vor Terroranschlägen, Cyberkriminalität und anderen Bedrohungen. All diese Themen sind auf komplexe Weise ineinander verwoben und es wird die Herausforderung aller sein, diese Zusammenhänge so zu lösen, dass es nicht zu weiteren Krisen oder gar zu Kriegen kommt.
Auch wenn wir es nicht mehr beim Namen nennen wollen, das Thema COVID-19 beschäftigt uns nach wie vor. Weder die medizinische noch die wirtschaftliche Krise sind vorbei – auch wenn es weiten Teilen der Bevölkerung und auch der Unternehmen wieder gut geht. Strukturelle Schwachstellen wurden uns aufgezeigt, die Frage wird sein, wie schnell wir diese beheben können und wollen. Die Diskussion über diese Themenkreise gingen auch beim gemütlichen Ausklang des interessanten und abwechslungsreichen Tages weiter. Nachdem alle Punkte auf der Checkliste unseres Vorsitzenden Mag. Volker Pichler abgehackt werden konnten, gab es nach der vielen geistigen Nahrung des Tages auch noch etwas fürs leibliche Wohl.
Text: Mag. Eva Gatschelhofer
Fotos: Mag. Paulus Mayr